Historie

Chronik – 100 Jahre ACW, Wächtersbach (1913 – 2013)

Als Chronist fällt es mir etwas schwer, den Jüngeren unter Ihnen einen Zeitablauf von 100 Jahren Revue passieren zu lassen! Denn immerhin liegen zwischen der Gründung des Vereins in 1913 und dem Jahr 2013 von heute zwei Weltkriege und eine technische Entwicklung von der Pferdekutsche als mobiles Transportmittel hin zu Weltraumausflügen, die über das Smart Phone gebucht werden können. Wir schreiben das Jahr 1913, als Sportfreund Willi Huth mit seinen Kameraden vom Frankfurter Eisenbahnausbesserungswerk, den Angler Club Westend in Frankfurt gründete. Willi Huth wurde auch 1. Vorsitzender und bis 1914 betrug die Mitgliederzahl im ACW 80 Personen. Der Club verfügte damals noch über keine eigenen oder gepachteten Gewässer und musste zum Angeln an den fischreichen bayerischen Main zwischen Obernburg und Kahl fahren.

Logo des Angler Club Westend

Man traf sich sonntags morgens am Bahnhof in Frankfurt und fuhr mit dem Zug zum Main. Dort angelangt, wurde mit der gleichen Begeisterung und Freude gefischt, wie wir es heute tun. Mit selbstgefertigten Blinkern, die auf einem Eichenklotz gedengelt waren und Seidenschnüren, die abends zum Trocknen auf einen Holzrahmen gespannt wurden, war das Angeln zwar mühsamer – aber mehr Fische als heute wurden sicherlich gefangen!

1914 brach der 1. Weltkrieg aus und der Angelprügel musste gegen den Schießprügel getauscht werden. Vier Jahre später war der Krieg zu Ende und trotz großem Elend und Wiederaufbau zeigte sich, dass die Sportkameraden vom ACW aus einem guten Holz geschnitzt waren und die Kriegsgeschehen ihnen nichts anhaben konnten. Bereits im Frühjahr 1919 wurde zur ersten Mitgliederversammlung eingeladen und am 03.06.1921 wurde der Angler Club Westend e.V. in das Vereinsregister zu Frankfurt eingetragen. Jetzt begann eine fruchtbare Zeit der Vereinsarbeit, die ihre Erfolge zeigte in der Pacht von Vereinsgewässern, die noch bis heute von uns verwaltet werden. Unterlag die Kinzig in früheren Jahren noch der freien Bewirtschaftung – es herrschte eine Koppelfischerei, jeder Bauer oder Forstbesitzer am Wasser musste einzeln um Erlaubnis zum Angeln gefragt werden – konnten jetzt mit der neu gegründeten Fischereiwirtschaftsgenossenschaft Untere Kinzig längerfristige Pachtverträge abgeschlossen werden. Der erste Fischbesatz für die Kinzig setzte sich aus 25 Pfund Rotaugenbrut und 500 Barschsetzlingen zusammen.

Die Kinzig war in den zwanziger Jahren und auch viele Jahre später noch eines der herausragenden Fließgewässer Deutschlands. Auf Beschluss der Mitglieder hatte der ACW in den Jahren 1923 – 1932 nicht mehr als 100 Mitglieder. Und diese Sportfreunde waren eine eingeschworene Gemeinde, ganz im Gegensatz zu den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen, die nach dem 1. Weltkrieg herrschten. Das Verkehrschaos machte eine Fahrt von Frankfurt zur Kinzig und wieder zurück schwierig, und eine Übernachtung im Gasthof oder bei den Bauern war teuer. Die Lösung war der Bau eines Clubhauses, ein großes Wagnis in jener Zeit.

Jeder Pfennig wurde vor dem Ausgeben dreimal umgedreht und viele tüchtige Handwerker, alles Mitglieder vom Verein, stemmten die Aufgabe. Und so mancher Nagel oder manches Brett wurde bei der Berechnung vergessen. Außerdem musste noch eine Umlage von DM 15,- für jedes Mitglied erhoben werden, um den Grundstückskauf zu sichern. Im Sommer 1926 war es dann soweit: Die Einweihung des neuen Clubhauses konnte erfolgen. Mit dem Zug ging es von Frankfurt nach Wächtersbach und von dort zu Fuß nach Neudorf, wo das neue Clubhaus stand. Autos waren in dieser Zeit noch selten und man freute sich schon auf die Geselligkeit und das gemeinsame Angeln mit den Clubkameraden an den Wochenenden und im Urlaub.

Sehr beliebt war das Nachtangeln auf Aal und das Hechtfischen an den großen Kinzigschleifen.
Aus jenen Tagen kursiert wohl auch noch die Anekdote, dass im Eifer eines Hechtdrills dem damaligen Vorsitzenden die Brille in das Wasser fiel und der Hecht daraufhin verloren ging. Eine halbe Stunde später konnte aber ein Anglerkollege erfolgreich einen Hecht landen, der die Brille des Vorsitzenden aufhatte! Die ACW Jünger jener Zeit waren ein lustiges Völkchen, das jede Gelegenheit zum Frohsinn nutzte, um auch mit anderen Vereinen wie dem Angelsportverein Sachsenhausen gemeinsam Weihnachtsfeiern und Maskenbälle zu feiern.

1933 wurde der ACW, wie alle anderen Fischereivereine und Verbände eingegliedert in den Reichsverband Deutscher Sportfischer, der wiederum dem Reichsnährstand untergeordnet war. Der Clubführer erschien und die Mitgliederversammlung existierte nur noch auf dem Papier. Von da an dauerte es nicht mehr lange und der 2. Weltkrieg brach aus. Wieder einmal musste der Angelprügel gegen den Schießprügel getauscht werden und von denen, die in den Krieg ziehen mussten, kamen nicht mehr viele wieder. Auch der ACW wurde stark dezimiert und eine ganze Generation vernichtet. Frankfurt war ein riesiger Trümmerhaufen und Deutschland wurde in Besatzungszonen aufgeteilt.

Die Amerikaner hatten erst einmal sämtliche Vereinigungen und Organisationen aufgelöst. Langwierige Verhandlungen des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten, sowie der Militärregierung, machten es schließlich möglich, dass ehemalige Vereine ohne braune Vergangenheit sich wieder neu aufstellen durften. So gründete sich mit Genehmigung der Militärs am 07.07.1946 der Landesverband Deutscher Sportfischer Hessen, dem neben anderen Vereinen auch der ACW beitrat. Es waren schwere Zeiten nach dem 2. Weltkrieg: Angeln und somit das Entfernen vom Wohnsitz war für die Frankfurter Angelkameraden nur mit Genehmigung der Militärs möglich. Die Züge waren überfüllt und fuhren nur selten. Da kam das gute alte Fahrrad wieder zu Ehren.

Die Kinzig lockte und es wurden eben 50 km hin und 50 km wieder zurück mit knurrendem Magen gestrampelt. Herzinfarkt und Kreislaufstörungen gab es damals nur in der medizinischen Fachliteratur. Übernachtungen im Clubhaus waren ebenfalls schwierig, da das Haus mit Kriegsflüchtlingen belegt war. Nachdem die Mitgliederstärke wieder auf 200 angestiegen war, entschloss man sich 1950 zum Bau eines zweiten Clubhauses direkt neben dem alten. Man genoss die Friedenszeiten im ACW, es gab Preisfischen und Omnibusfahrten an die Nahe, den Edersee, den Rhein und viele andere schöne Gewässer. Es fanden Nikolausabende und Fremdensitzungen, ja sogar Theateraufführungen statt. Der Turniersport war damals Anfang der fünfziger Jahre sehr beliebt. Es wurde mit Blinkern und Fliegen auf Ziele, die im Rasen lagen, geworfen. Und wenn die Truppe vom ACW erschien, konnten die anderen gleich einpacken. Die damaligen Meister Karl Steinmetz und Kurt Renker waren unschlagbar und räumten alle Preise ab.

1957 kam der ACW mit der Fürstlichen Verwaltung in Büdingen ins Gespräch, und es gelang dem Vorstand, ein Pachtverhältnis über die Weiher bei Wittgenborn auszuhandeln, das so weitgehend bis in die heutige Zeit besteht. Die Pacht der 42 ha großen Teiche (Großer Weiher, Laich-, Dorf- und Erlwiesenweiher) waren eine wertvolle Ergänzung der Clubgewässer, da bis dahin, neben den Altwassern an der Kinzig, keine stehenden Gewässer den Sportfreunden zur Verfügung standen. Im August 1963 wurde das 50-jährige Bestehen des ACW gefeiert. Der Fischereidezernent Dr. Rameil sagte in seiner Festrede, der Verschmutzungsgrad der hessischen Binnengewässer sei weiter gestiegen, da bei verringerter Frischwasserzufuhr die zugeführte Abwassermenge gleichbleibe.

Das war ein böses Omen und gleichzeitig der Beginn zahlreicher Fischsterben an Bracht und Kinzig, die den ACW in den 60ern, aber auch noch bis in die 80er Jahre hinein belasteten. 1975 konnte der Erlwiesenweiher und rund 20.000qm Umland – der Grund, auf dem wir heute mit unserem Vereinshaus stehen – vom damaligen Fürsten zu Isenburg gekauft werden. Damit war ein großer Schritt in die Zukunft und für das Fortbestehen des ACW getan. Im gleichen Jahr wurden von der Fürstlichen Verwaltung in Büdingen 17 km Kinzigfischrechte zum Verkauf angeboten. Ein sehr verlockendes Angebot, das aber aufgrund des erworbenen Weiherprojektes vom ACW alleine nicht zu stemmen war. So kam die Geburtsstunde der Interessengemeinschaft Kinzig zustande. Zusammen mit den Vereinen ASV Ffm-Sachsenhausen, ASV Offenbach sowie dem ASV Langenselbold wurde die IG-Kinzig aus der Taufe gehoben und besagte 17 km Kinzigfischrechte gekauft. Um dieses Investment für den ACW bezahlbar zu machen, mussten neben Umlagen und Spenden der Mitglieder auch die beiden Clubhäuser in Neudorf verkauft und der Erlwiesen- und Dorfweiher vorübergehend unterverpachtet werden. Der ACW musste in den Folgejahren äußerst sparsam wirtschaften und konnte erst zum 75-jährigen Jubiläums des Vereins, im Jahr 1988, vom damaligen Vorstand wieder als schuldenfrei erklärt werden! Das verbleibende letzte Vierteljahrhundert bis heute ist vom Chronisten rasch erzählt, da keine spektakulären Ereignisse wie Weltkriege, Naturkatastrophen oder Ähnliches zu erwähnen wären. Was ein großes Glück für uns und unsere Kinder bedeutet und gar nicht genug gedankt werden kann! Darüber hinaus gehört sicher mit zu den besten Einsichten der Menschheit, trotz allem Fortschritt und industrieller Entwicklung, auch an einen nachhaltigen Schutz für Umwelt und Natur zu denken. Schon in den 90er Jahren hatte man damit begonnen, die bis dahin stark verschmutzten Flüsse wieder zu reinigen und für wandernde Fischarten wie Forelle und Lachs passierbar zu machen. Mit Maßnahmen wie dem Lachsprojekt 2000 hatte eine Renaturierung an vielen Flüssen wie Rhein, Main und auch der Kinzig eingesetzt und dafür gesorgt, dass so hässliche Fischsterben, wie wir sie noch bis in die 80er Jahre hinein erleben mussten, inzwischen der Vergangenheit angehören!

Die veränderte Berufswelt hat maßgeblich dazu geführt, dass sich das Freizeitverhalten von heute ganz anders darstellt als noch vor 25 Jahren. Das Internetzeitalter hat alle wirtschaftlichen Abläufe und auch das menschliche Zusammenleben gewaltig verändert. Die heile Familie, die am Wochenende mit ihren Kindern zum Angeln ins Grüne fährt, ist heutzutage eher eine seltene Erscheinung geworden. Viele Berufstätige müssen noch am Wochenende arbeiten und können ihren freien Tag nur unter der Woche nehmen. Ein Umstand, der in vielen Vereinen zu schwachen Besuchsergebnissen bei Wochenendveranstaltungen führt und oft die Vereinszusammenhörigkeit auf eine harte Probe stellt.
Kommen wir zum letzten Ereignis der ACW Chronik, dem Bau und der Eröffnung unseres Vereinshauses in 2012. Die neuen Räumlichkeiten geben uns die Möglichkeit, Mitgliederversammlungen und Feierlichkeiten hier abhalten zu können, und darüber hinaus künftig auch eine Begegnungsstätte für Freunde des ACW zu haben. Unsere Gewässer im Landschaftsschutzgebiet Vogelsberg sind Oasen der Erholung, die den Menschen helfen, den stressigen Alltag zu vergessen und wieder Lebensenergie zu tanken.
Ich möchte an dieser Stelle die Rückschau in die Vergangenheit beenden und allen Mitgliedern des ACW eine friedliche und gute Zukunft wünschen.

Hilmar Petersen (ehemaliger 2. Vorsitzender)